Samstag, 15. November 2014

Unterrichtsgespräch

Schüler: Ich hab einen neuen Laptop. Können sie den einrichten?

Ich: Ehmm... nein?

Schüler: Ich brauch Windows. Und auch paar andere Programme. Was sie halt so da haben.

Ich: ... Nein, ich kann dir da nicht helfen.

Schüler: Bitte! Sie müssen mir helfen. Sie können das doch!

Ich: Tut mir Leid, ich hab keine Zeit.

Schüler: Achso, aber am Wochenende? Ich doch nicht schlimm, wenn es zwei oder drei Tage dauert.

Ich: Nein, ich richte keine Computer ein.

Schüler: Ach bitte! ... Ich brauch den Laptop weil mein anderer ist schon voll alt...

....

Mittwoch, 12. November 2014

Abdirisaks Reise

Bevor Abdirisak in meine Klasse kam, hatte er schon eine wirklich lange Reise hinter sich. Mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder ist der damals 16jährige aus Somalia geflüchtet. Sein Weg führte ihn quer durch Nordafrika, durch Wüsten und unwegsames Gelände bis nach Libyen. Dort ist die Situation noch immer so unübersichtlich, dass man am einfachsten ein Boot übers Mittelmeer organisieren kann.
Irgendwo auf dem Weg wurde er dann auch noch von seiner Familie getrennt. Er musste sich allein weiter durch schlagen, in der Hoffnung, dass er seine Mutter irgendwo in Deutschland wieder finden könnte. Und tatsächlich sind am Ende alle in Bayern gelandet und man konnte die Familie wieder zusammenführen.

So eine Reise hinterlässt bei vielen Flüchtlingen Spuren. In den ersten Wochen waren fast alle Schüler in meiner Klasse sehr ernst und still. Abdirisak hingegen hat von Anfang an geredet und gelacht. Die Buchstaben musste er sich mühsam abmalen, aber neue Wörter hat er super schnell gelernt und wenns sein musste auch eben mal neue erfunden, wie z.B. Handyball (statt "Handball").

Fröhlich und unbekümmert ist er letzten Samstag dann auch auf sein Fahrrad gestiegen um bei sonnigem Wetter in die Stadt zu fahren. Vielleicht wusste er nicht, wie das so abläuft bei einem unbeschrankten Bahnübergang, vielleicht hat die Sonne zu sehr geblendet oder vielleicht war er auch einfach nur unaufmerksam.

Heute waren wir mit der gesamten Klasse in München auf der Beerdigung. Nach muslimischem Glauben müssen wohl mindestens 40 Leute für einen verstorbenen Beten, damit er ins Paradies gelangen kann. Da es aber über 100 Leute waren, sollte es keine Rolle spielen, in wie weit die Christen mitgezählt werden konnten. Erst wurde vor dem Sarg gebetet, dann der Sarg ins Grab hinab gelassen und ein 2.Mal gebetet. Dann durfte jeder Erde ins Grab werfen, bevor der Bagger das Grab dann völlig zugeschüttet hatte. Danach wurde vor dem Grab ein 3.Mal gebetet.

Der Imam hat auf Deutsch geredet und es gab eine Übersetzung auf Somali. Die Stellen aus dem Koran wurden natürlich auf arabisch vorgesungen.
Die Beerdigung war sehr ökumenisch gestaltet und jeder durfte mitmachen und so nah ans Grab heran kommen, wie er oder sie wollte. Es fiel dabei jedoch auf, dass die Frauen umso verhüllter sie waren, desto weiter abseits standen. Auch Abdirisaks Mutter stand die ganze Zeit abseits und ist erst nach der eigentlichen Beerdigung mit den anderen Frauen ans Grab gegangen. Sein jüngerer Bruder musste hingegen die Gäste begrüßen und immer in erster Reihe stehen.

Mit 17 Jahren ist seine Reise nun vorbei. Durch die Wüste hatte er es geschafft. Übers Mittelmeer auch noch. Seine Familie hatte in einem fremden Land wieder gefunden, obwohl er anfangs nicht mal seinen Namen schreiben konnte. Aber ein Moment der Unaufmerksamkeit hat gereicht, und alles kam vorzeitig zu einem Ende.