Freitag, 30. November 2012

Todestage / Geburtstage

Mehrmals die Woche bringe ich auch Päckchen in ein Pflegeheim, meistens Verbandsmaterial.
Und meistens sind das die Lieferungen, die mich am meisten aufwühlen.

Das Pflegeheim hat verschiedene Abteilungen auf verschiedenen Stockwerken: Senioren, pflegebedürftige jüngere Menschen und Hospizwohnungen. Und so schickt man mich in Zimmer von todkranken Menschen, die eingefallen ihren Betten liegen und sich kaum bewegen können, aber eben doch noch für ihre eigenen Pakete unterschreiben wollen. Und ein wenig reden. Über das Wetter z.B. Mit sehnsüchtigem Blick hängt man sich da an Belanglosigkeiten wie "kalter Wind" oder "Nieselregen", in den ich jetzt wieder hinaus muss und in den sie nicht mehr hinaus können. Und dann komme ich eine Woche später wieder und sie sind nicht mehr da. Und stattdessen unterschreibt mir eine Schwester die Annahmeverweigerung und ich trage das Päckchen  und einen Kloß im Hals zurück ins Auto.

Im Altenheim gibt es eine Frau, die mich immer sehr stürmisch begrüßt. Sie ist taub, sitzt im Rollstuhl und auch nur noch ein Arm bewegt sich so, wie sie das gerne möchte. Mit den Füßen tritt sie ihren Rollstuhl immer auf mich zu, streckt den einen Arm aus, zeigt auf die Pakete und ruft erwartungsvoll. Und dann schüttel ich den Kopf, weil nichts für sie dabei ist. Nie. Und dann dreht sie ihren Rollstuhl um und fährt traurig schimpfend davon. Normalerweise passiert das immer, wenn ich auf ihrem Stockwerk aus dem Fahrstuhl steige. Doch heute hat sie sogar schon unten in der Eingangshalle gewartet und hat heftiger auf mein Kommen reagiert als sonst und stellt sich mir sogar in den Weg. Die Dame am Empfang erklärt: Es ist ihr Geburtstag und bisher hat sie weder Post noch Besuch bekommen. Und ich muss sie, wie immer, anschauen und mit dem Kopf schütteln. In ihrem Gesicht bricht alles zusammen und sie wendet sich schreiend ab. Ich muss betroffen weiter zum Fahrstuhl, und sie folgt mir, rollt mir hinterher in den Fahrstuhl. Die Türen schließen sich und einen Moment ist es still. Dann will ich ihr Alles Gute zum Geburtstag wünschen, doch nach den ersten paar Worten fängt sie zu Weinen an. Es ist ein lautes Weinen, fast schon ein Klagegeschrei, während ihr dicke Tränen über die Wangen rollen. Ich will etwas sagen, ihr eine Hand auf die Schulter legen, doch sie weicht zurück, also lasse ich es. Die Fahrt in den 3.Stock dauert ewig. Als die Türen sich wieder öffnen weint sie immer noch und rollt wütend in Richtung ihres Zimmers davon. Ein paar Senioren schauen in meine Richtung und nicken dann: Ja, der Postbote ist wieder da. Die Krankenschwester ist beschäftigt und unterschreibt nur ganz nebenbei und beachtet die weinende Frau am Ende des Flurs auch gar nicht weiter.  Wahrscheinlich kennt sie das alles schon viel zu gut von vielen Situationen vorher. Mit leerem Wagen steige ich wieder in den Fahrstuhl, diesmal allein. Für einen Moment kämpfe ich mit den Tränen. Beim Rausgehen nehme ich mir vor am Wochenende ein eigenes Päckchen zu schnüren. Damit sie bei meinem nächsten Besuch etwas bekommt. Wenn sie noch da ist.

Sonntag, 25. November 2012

What a difference a week makes

Was ein ganz normaler Montag werden sollte endete dann daran dass mein Chef kündigte. Also nicht mich, sondern sich selbst. Einfach gegangen ist er, hat sein Auto stehen lassen und ging fortan nicht mehr ans Telefon. Man munkelt, dass es etwas mit der Polizeikontrolle vor dem Tor zu tun hatte.

Ja, und wie sollte es nun weiter gehen? Nach 2 Tagen Ungewissheit habe ich dann am Di einfach mal eine Kündigung geschrieben, um irgendwie aus diesem Vertrag heraus zu kommen. Und gleich danach tue ich das, was ich schon lange vorhatte: Ich buche ein Flugticket um Freunde zu besuchen. Denn was bringt einen besser aus dem Chaos heraus als 1200 Flugkilometer, an deren Ende liebe Leute warten?

Am Mi hat sich dann der Geschäftsführer der Distributionsgesellschaft eingeschaltet und hat mir gleich zwei Leute angeboten, die mich gerne übernehmen möchten. Eine Einigung ist schnell gefunden und ich kann meinem Ex-Chef sogar anbieten, auf die Kündigung zu verzichten wenn er einer Vertragsauflösung zustimmt.

Am Do beginnt dann also mein erster Tag beim neuen Chef: Die selbe Arbeit, sogar das Auto bleibt das gleiche, da die Autovermietung das Ding von meinem alten Chef direkt auf meinen neuen überschreibt. Und eine Gehaltserhöhung bekomme ich auch gleich noch mit dazu. Dafür sind mir durch die Vertragsauflösungs-Sache aber auch 8 Urlaubstage (= alle für 2012) flöten gegangen.

Allerdings bleibe ich dennoch dabei, im Januar dann erstmal davon zu fliegen. Denn leider stellt sich ja nie die Frage ob es Stress und Chaos gibt, sondern immer nur wie schlimm es diesmal wieder wird.

Sonntag, 18. November 2012

Der Moment in dem es Nacht wurde

Vor kurzem habe ich ihn zum ersten Mal so richtig bewusst und intensiv erlebt: Den Moment, in dem der Abend zur Nacht wird.

Und zwar war es auf der Autobahn. Nach dem Arbeiten war ich auf er Heimfahrt und im Spiegel hinter mir sah man die Sonne noch orange hinter den Alpen hervorleuchten, während vor mir der Himmel schon ein dunkles Blau angenommen hatte. Ich war müde und raste mit 150km/h dem heimischen Sofa entgegen, weil der Verkehr es erlaubte.

Dann kam eine Stelle in der es spürbar bergab ging. Und plötzlich war der Himmel vor mir nicht mehr Dunkelblau, sondern schon Schwarz. Und hinter mir verschwand auch gerade das letzte Orange hinter den Bergen. Um mich herum ist es noch dämmrig Grau, doch ich weiß: Gleich wird es Nacht sein.

Das Grau um mich herum erzittert vor der schwarzen Wand, die sich vor mir aufbaut und auf die ich ungebremst zufahre. Denn das Schwarz gibt nach und will mich einhüllen. Das letzte Grau um mich herum scheint wie eine Blase zu zerplatzen und es ist nur noch Schwarz.

Und ich fahre weiter, den Lichtkegeln hinterher die meine Scheinwerfer gegen die Dunkelheit werfen.