Montag, 20. Dezember 2010

Nun sag, wie hast du's mit der Religion?

Was Weihnachtliches wäre hier wohl zu erwarten gewesen. Aber das zu Erwartende hab ich ja noch nie gemocht. Außer vielleicht dann, wenn es keiner mehr erwartet hätte?

Zeit ist es längst für eine Standortbestimmung, wie ich es denn nun halte, mit der Religion. Denn ich hielt es ja mal ganz gut. Aber das war einmal. Ich war mal religiös, ich bin es nicht mehr.
Ich bin gläubig. Ich bin Christ. Und es gibt keinen Grund, um mein Seelenheil zu bangen, denn das ist in trockenen Tüchern schon längst.

Ich war mal religiös. Dann bin ich dazu auch noch gläubig geworden und blieb es beides viele Jahre lang. Doch zuletzt konnte ich mich von der Religion verabschieden, die all zu oft dem Glauben doch nur im Weg steht.

Denn so unterschiedlich die christlichen Denominationen auch sein mögen, sie brauchen vor allem eines: Regeln. Unendlich viele Regeln.
Da gibt es formale Regeln: regelmäßige Gottensdienste und Gebetstreffen und Kleingruppen usw.
Und dann gibt es soziale Regeln: Das darf man nicht, und wenn dann erst nachdem man das und das... Da braucht man das Wort "Sex" noch nicht mal zu bequemen, denn es fängt schon an, dass Pastoren das Gespräch mit einem suchen werden wenn man so Sachen macht wie in einer "gemischten WG" zu wohnen.
Interessanterweise scheinen formale und soziale Regeln of indirekt proportional zu sein: Wo die Gottesdienstformen freier sind, wird sozial umso genauer geschaut, und wo man in den Lebensformen liberaler wird, wird der Gottesdienst umso penibler durchorganisiert: strenge Liturgie und nur mit bestimmter jahrelanger Ausbildung darf man dann noch einzelne Worte im Gottesdienst sagen oder einzelne Handlungen tun, wie z.B. einen Kelch mit Wein an jemand anderen weitergeben. Im Großen und Ganzen tauscht man eigentlich nur noch einzelne Bausteine im Jahresrhythmus aus und man bekommt ein 100% überraschungsfreies meditatives Kirchenjahr, begleitet von einem 300 Jahre alten Soundtrack.

Man merkt hier, dass letzteres noch nie meins war. Also hab ich mich lange für den anderen Weg entschieden, weil mir der nicht so einengend vorkam. Es war nicht offensichtlich genug. Und es gab ja auch zahlreiche Möglichkeiten sich ein Stück in der "Hierarchie" nach oben zu arbeiten, um dann selbst auch ein wenig Regeln verbreiten zu können.
Zweifelsohne war auch viel Gutes dabei in dem was ich in entscheidenden Situationen gesagt und getan habe. Wenn die Motivation eine Gute ist und man seine Überzeugung auch konsequent umsetzen will, dann braucht man hinterher auch nichts zu bereuhen. Und das tue ich nicht.
Weiter halte ich es auch nicht für ungewöhnlich, in seinen 20ern eine Überzeugung zu korrigieren.

Denn eigentlich ist uns doch schon gesagt, was wir alles für Regeln brauchen: eine nämlich. Die radikalste. Die da lautet: Seid gut zueinander. (um mal so Begriffe wie "Liebe", "Nächster" und "Feinde" auszusparen).
Seid gut zueinander! Schlichter Grundsatz, an dem wir alle wohl täglich scheitern; mehrmals.
Aber weil uns vergeben wird, können wir es jeden Tag neu versuchen.
Wir brauchen keine kompensatorischen Regeln, die uns das Gefühl geben, doch etwas erreichen zu können, wenn wir die nur einhalten. Oder um uns besser vergleichen zu können, wer denn nun heiliger ist, und wer Aufgaben übernehmen darf und wer (noch) nicht. Denn sicherlich können und sollen wir die Schritte gehen, die uns möglich sind auf dem Weg zum "guten Menschen". Aber den ganzen Weg, den wir bis dahin nicht schaffen, bekommen wir geschenkt.

Also müssen wir uns gegenseitig nichts vorschreiben. Wir sollen sehr wohl auch unbequeme Sachen zueinander sagen, wenn wir denken, dass es dem anderen gut täte. Aber das darf nicht mit Sanktionen verbunden sein, denn letztlich zählt nicht das bloße befolgen der Regeln, sondern die Überzeugung, wenn sie dahinter steckt.
Und andererseits sollen die Gottesdienste kein verplantes Pflichtprogramm sein, sondern eine Zeit, die uns gut tut. Und was nützt ein vollgestopfter Terminplan mit Chorproben, Gottesdienstvorbereitungen und Gebetstreffen, wenn man dann nur noch Zeit hat für diejenigen, die den selben vollgestopften Terminplan haben?

Ich bin nicht religiös. Ich bin gläubig.
Und letztlich ist aus diesem Text doch auch noch etwas geworden, was man an Weihnachten mal so sagen kann.

Schöne Feiertage!